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Nachruf David Boadella

Dr. hc. David Boadella – Forscher, Körperpsychotherapeut, Lehrer

David Boadella

David Boadella

Kurz vor Weihnachten 2021 verstarb, liebevoll umsorgt von seiner Familie, in seinem Zuhause auf der Benzenrüti oberhalb von Heiden, der begnadete Psychotherapeut, Lehrer und Forscher David Boadella.

David Boadella wurde 1931 in London geboren. Er studierte Psychologie, Pädagogik und Literatur. Ab 1963 arbeitete er zunächst in Dorset im Südwesten Englands als Lehrer und Leiter einer Gesamtschule, an der damals neue Schulmodelle erprobt wurden. Er war wegen seiner Kreativität, seinen breiten Interessen und seiner ausgesprochenen Begabung, Schüler und Schülerinnen zu interessieren und zu begeistern, schnell sehr beliebt. Es zog ihn jedoch immer stärker in die Psychotherapie, vor allem in die Körperpsychotherapie. Er beschäftigte sich ausgedehnt mit den Theorien Wilhelm Reichs, woraus ein immer noch gültiges Standardwerk über dessen Leben und Werk entstand. Er experimentierte und erforschte mit einigen Gleichgesinnten Effekte der Vegetotherapie und Orgonomie, daneben bildete er sich als Körperpsychotherapeut intensiv weiter.

1970 gründete er die Fachzeitschrift «Energy & Character», die ab 1990 auch auf Deutsch erschien. Darin veröffentlichte er zahlreiche Artikel über seine Einsichten und Erfahrungen, sowie Weiterentwicklungen der Ideen Reichs und anderer Psychotherapeuten. Es kam zu einer intensiven Vortrags- und Lehrtätigkeit in vielen Ländern der Welt. Daraus entwickelte David Boadella nach und nach ein eigenes Lehr- und Therapiesystem, und nannte es Biosynthesis (Biosynthese). 1987 erschien sein Buch «Lifestreams – an introduction to Biosynthesis», das später unter dem Titel «Befreite Lebensenergie» auch auf Deutsch erschien. In Energy & Character erschienen dann auch alle seine Artikel über die wesentlichen Elemente der Biosynthese. Zeitgleich mit dieser Entwicklung lernte David Boadella 1985 seine künftige Ehefrau Dr. Silvia Specht kennen, die Schweizerin und ebenfalls Psychotherapeutin war.

Er entschied sich, in die Schweiz überzusiedeln. Gemeinsam gründeten sie 1987, zuerst in Zürich, dann ab 1994 an schöner Lage auf der Benzenrüti oberhalb von Heiden, das Internationale Biosynthese Institut.

1988 kam ihr Sohn Till auf die Welt. Aus ihrer intensiven Zusammenarbeit heraus entwickelte sich die Biosynthese weiter. Die Ausbildungsstätte war sehr erfolgreich. Die Biosynthese konnte sich als eigenständiges Therapieverfahren zertifizieren lassen.

David Boadella wurde Präsident der Europäischen Gesellschaft für Körperpsychotherapie, 1995 erhielt er einen Ehrendoktortitel. Aus vielen Ländern kamen Studentinnen und Studenten, um die Biosynthese zu erlernen. Sie gründeten ihrerseits in über 20 Ländern der Welt Biosynthese Institute und gaben (und geben) die Ideen und das Wissen, das auf der Benzenrüti gelehrt wurde, weiter. Mehrere internationale Biosynthese-Kongresse wurden in verschiedenen Ländern abgehalten.

David Boadella war ein charismatischer, ausgesprochen feinsinniger englischer Gentleman, der die Menschen liebte. Er war auch ein Lyriker, er hat viele Gedichte auf Englisch geschrieben. In seinen Fachbeiträgen sind immer auch die Poesie und der Humor nicht weit. Seine Fachvorträge zogen jeden Interessierten in seinen Bann. Er glaubte daran, dass gute Psychotherapie wirksam ist, dass Menschen sich verändern können, hin zu mehr Selbstkontakt und zu kooperativem Verhalten.

Seine letzten Jahre waren geprägt vom zunehmenden Alter und entsprechenden gesundheitlichen Einschränkungen. Trotzdem hat er bis wenige Wochen vor seinem Tod bei voller geistiger Präsenz gearbeitet und geschrieben.

David Boadella hinterlässt neben seiner Frau Silvia und dem gemeinsamen Sohn Till noch einen weiteren Sohn aus erster Ehe. In einem Gedicht, das er kurz vor seinem Tod verfasste, heissen die letzten Zeilen:

« When the light goes out
my shadow is gone;
when the life goes out
my body is gone.
Who dies ?
Not I. »

Renato Waldburger